Fachtagung Abbruch 2020

Branchentreff erzielt erneut Rekordbeteiligung

Rund 1100 Teilnehmer hatten sich in diesem Jahr auf den Weg nach Berlin zur Fachtagung Abbruch 2020 gemacht. Darüber freute sich auch Johann Ettengruber, Inhaber des gleichnamigen Abbruch- und Erbauunternehmens sowie Vorstandsvorsitzender des Deutschen Abbruchverbands.Fotos: DA

Berlin. – Am 28. Februar fand die nunmehr 26. Ausgabe der Fachtagung Abbruch in Berlin statt. Rund 1100 Teilnehmende und mehr als 127 Aussteller waren in diesem Jahr der Einladung des Deutschen Abbruchverbandes (DA) zu Europas größter Fachtagung für den Abbruch und Rückbau gefolgt. Ein weiteres Mal erzielte das Branchenevent, welches zum zweiten Mal in den geräumigen Hallen der Station Berlin stattfand, eine Rekordbeteiligung.

Es war vielleicht eine der letzten Großveranstaltungen für dieses Jahr. Als die Fachtagung Abbruch am 28. Februar zum mittlerweile 26. Mal ihre Pforten öffnete, war das Ausmaß der aktuellen Entwicklung noch nicht absehbar. Wenige Wochen bevor die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus das Messe- und Veranstaltungsgeschäft weitestgehend lahm gelegt hat, kamen in der Station Berlin zahlreiche Vertreter aus der Abbruchbranche und branchennahen Bereichen zusammen, um sich auf der diesjährigen Fachtagung Abbruch über spannende Projekte, aktuelle Entwicklungen und technologische Neuheiten in der Branche zu informieren und auszutauschen.

Erste Ausläufer der beginnenden Pandemie in Europa hatten sich zu diesem Zeitpunkt vor allem in Italien bemerkbar gemacht, weshalb der DA kurzentschlossen einen italienischen Gastbeitrag für den Tagungsteil der Veranstaltung in Absprache mit dem Referenten aus dem Programm genommen hatte. Davon ungetrübt erfreute sich die Abbruchtagung auch in diesem Jahr einer Rekordbeteiligung. Mit rund 1100 Teilnehmern und mehr als 127 Unternehmen in der begleitenden Fachausstellung könne der DA auch gegenüber der großen Jubiläumsveranstaltung im vergangenen Jahr erneut gestiegene Besucher- und Ausstellerzahlen vermelden, freute sich DA-Geschäftsführer Andreas Pocha in seiner Begrüßungsansprache. Angesichts zunehmender Herausforderungen bei der Baustoffverwertung forderte Pocha "Mut zum Umdenken und Mut zu Innovationen".

Um Innovationen ging es auch bei der Vergabe des diesjährigen DA-Innovationspreises, die Pocha im Anschluss vornahm. Um diese Auszeichnung können sich seit 2018 Bachelor- und Master-Studierende mit innovativen Ideen zum Thema Rückbau bewerben. Den ersten Preis erhielt in diesem Jahr Daniel Rank, der Bauingenieurwesen an der Technischen Universität München studiert. Er bekam den Innovationspreis für seine Untersuchung zu Verwendungsmöglichkeiten von mineralischen Recycling-Baustoffen am Beispiel der ehemaligen Bayernkaserne München. Hier gelang es, in Zusammenarbeit mit der Firma Ettengruber ein Modellgebäude mit einer zu 100 Prozent rezyklierten Gesteinskörnung aus dem Abbruchmaterial der Kaserne zu errichten. Da eine solche Gesteinskörnung normativ nicht zulässig ist, war in diesem Fall eine bauaufsichtliche Zulassung im Einzelfall notwendig, wie Michael Weiß, Geschäftsführer bei der Ettengruber GmbH in seinem Fachvortrag erläuterte. Die beteiligten Projektpartner bewiesen, dass die Verwendung von Sekundärrohstoffen im Sinne einer zirkulären Bauwirtschaft nicht nur im Straßen- und Wegebau, sondern auch im Hochbau möglich und sinnvoll ist.

DA-Geschäftsführer Andreas Pocha konnte sich in diesem Jahr über erneut gestiegene Teilnehmer- und Ausstellerzahlen freuen.

Als diesjähriger Gastredner war der Wissenschaftsjournalist und Physiker Ranga Yogeshwar eingeladen. Er setzte sich in seinem Vortrag "Wer programmiert wen?" mit Künstlicher Intelligenz (KI) auseinander. Im Vergleich zwischen Mensch und Maschine präsentierte er zu Beginn 140 Jahre zurückliegender Innovations- und Zukunftsvisionen. Auch stellte er sich die Frage, wie die globale Zukunft heutzutage aussehen könnte und wie diese sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) gestalten ließe. Auch im Bauwesen und in der Abbruchbranche seien Digitalisierungslösungen und speziell das Thema KI nicht zu unterschätzen. "Alles, was digital umgesetzt werden kann, wird auch digital umgesetzt", lautet die These Yogeshwars. Dabei stehe vor allem die Verbesserung von Prozessen im Fokus. Das erfordere allerdings, mit Zuversicht die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen, ohne dabei die gesellschaftliche Stabilität zu gefährden. "Die Welt ist besser geworden, die Generation meiner Enkel hat eine großartige Zukunft", meint er.

Die insgesamt 15 Fachvorträge deckten die gesamte Bandbreite der branchenrelevanten Themen ab und zeigten auch, wie innovativ und international die Branche ist. So präsentierte beispielsweise Alix Reichenecker von der niederländischen Kooperative PolyStyreneLoop, wie mit einem neuartigen Verfahren EPS- und XPS-Dämmstoffe recycelt werden können. Die entsprechende Demonstrationsanlage ist derzeit im Bau und geht 2021 in Betrieb.

Christian Vitse von Vitse Entreprise SARL aus Frankreich präsentierte eine neu entwickelte Hobelmaschine zur Entfernung von asbestbelasteten Fassaden. Der Hobel kann an Gebäudeaußenwänden hochfahren und betroffene Stellen von Asbest befreien.

Zu den Highlights gehören in jedem Jahr die Beispiele aus der Baustellenpraxis, die ein aufs andere Mal verdeutlichen, unter welch schwierigen Rahmenbedingungen oft Rückbau betrieben werden muss. So stellte etwa Matthias Lögering von der Firma Moß Abbruch-Erdbau-Recycling aus Lingen am Beispiel des Rückbaus des Justizzentrums Bochum einige Herausforderungen des innerstädtischen Rückbaus dar. Die Verantwortlichen sahen sich mit wenig Fläche und mit 175 000 Kubikmeter umbautem Raum konfrontiert. Lögering betonte, dass der Abstimmungsbedarf bei allen beteiligten Teams sehr hoch gewesen sei und dass viele innerstädtische Aspekte beachtet werden mussten. Dazu zählten unter anderem beengte Platzverhältnisse und die Tatsache, dass Lärm- und Staubemissionen so gering wie möglich gehalten werden mussten.

Der diesjährige Gastredner auf der Fachtagung Abbruch war der Physiker und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar.

Zu schwerwiegenden Bauwerksmängeln und statischen Risiken referierte Hermann Weißenfels von Bauingenieure Weissenfels Engeneering aus Bramsche. In seinem Vortrag ging es um den Rückbau des 35 Meter hohen Finanzamtes Oldenburg. Die am Rückbau beteiligten Unternehmen sahen sich laut Weißenfels mit schwierigen Verhältnissen konfrontiert, da das Gebiet ringsum eng bebaut ist. Nach einer strukturierten Bestandsaufnahme vor den Rückbaumaßnahmen seien bereits standsicherheitsrelevante Risiken und Vorschädigungen erkennbar gewesen. Risse in der Fassade und teilweise fehlende Anschlussbewährungen in den Bauteilen wiesen auf den kritischen und gefährlichen Zustand des Gebäudes hin. Laut Weißenfels sei ein schlagartiges Gebäudeversagen jederzeit möglich gewesen. Er verdeutlichte dies anhand von Bildern, die "Silikonflicken" für Betonbauteile und starke Korrosionsschäden dokumentierten. Abbruchunternehmen und Tragwerksplaner sollen und müssen zu jeder Zeit eng zusammenarbeiten. Regelmäßige Bauwerkskontrollen und präventive Gegenmaßnahmen seien unerlässlich, denn "Sicherheit im Abbruch darf kein Gefühl sein", so Weißenfels.

Einem gänzlich anderen Thema widmete sich Thomas Wellmann von der ERM GmbH aus Köln. Er stellte eine selektive Rückbaumaßnahme vor, die während des laufenden Betriebes in einem Chemiepark durchgeführt wurde. Komplexe Risikoplanung effizient und korrekt durchzuführen, sei sehr wichtig gewesen. Die ERM GmbH führte Risikobetrachtungen durch und entwickelte ein Punktesystem für eine Messtechnik, der dazu beitragen sollte, die Risiken beim Rückbau zu reduzieren. Es sei stets das Ziel, von maximal 1000 (10x10x10) auf so wenig Punkte wie möglich zu kommen.

Ob sich Deutschland in Bezug auf Mineralwolle und ihre kanzerogenen, also krebsfördernden, Eigenschaften auf dem Holzweg befindet – darüber sprach Dr. Manfred Kühne von GeoExperts aus Dortmund in seinem Vortrag. Er klärte über künstliche Mineralfasern (KMF) auf. Das sind Silikatfasern mit Alkali- und Erdalkalimetalloxiden, die in Schlacken, Glas und Steinwolle verarbeitet werden. Solche biopersistenten KMF-Fasern mit geringer Biolöslichkeit dürfen laut Dr. Kühne seit 1995 nicht mehr hergestellt werden. Oft werde zur Ermittlung der Kanzerogenität der KI-Index verwendet. Dabei ergibt die Summe aus Alkali- und Erdalkalimetallen, wie krebsfördernd ein Baustoff sein kann. Dr. Kühne zufolge sei der KI-Index heutzutage eigentlich nicht mehr anwendbar und sollte vermieden werden. Viel eher sollte das Ziel aus seiner Sicht sein, Mineralwolle in Hinblick auf ihre Biolöslichkeit zu bewerten und zu prüfen.

Auch die Ausstellung ist im Vergleich zu den Vorjahren noch einmal gewachsen. 127 Unternehmen präsentierten technologische Highlights und Dienstleistungen.

Um den "Abbruchunternehmer unter Druck" ging in der Präsentation von Ulrich Hielscher von der Internationalen Hydraulik Akademie (IHA) GmbH aus Dresden. Er widmete sich der Problematik, dass Hydraulikschlauchleitungen häufig nicht als Arbeitsmittel angesehen und demnach nicht oder nur fahrlässig geprüft werden. Dabei müsse zu jeder Zeit eine entsprechende Prüfungsdokumentation hinterlegt werden. Das sei erschreckend oft aber nicht der Fall. Hielscher betonte, dass Arbeitsschutz- und Betriebssicherheitsverordnungen sehr ernst genommen werden müssen und sollten.

Auf der Fachtagung Abbruch ging es in diesem Jahr zudem unter anderem um die Themen Bauwerkskontamination, die TRGS 519, Unterweisungspflichten beim Umbau mit Anbaugeräten, effiziente Baustellenkommunikation und um einen Teilabbruch in Bremerhaven unter Berücksichtigung denkmalgeschützter Gebäude.

Mitglieder des Fachausschusses Sprengtechnik im DA e. V. präsentierten den Teilnehmenden der Veranstaltung außerdem eindrucksvolle Beispielsprengungen, die in unterschiedlichen Projekten durchgeführt wurden. Im Anschluss an den Tagungsteil fand einmal mehr der beliebte Dialogabend statt, auf dem sich Redner, Unternehmensmitarbeiter und ausstellende Firmen austauschen und netzwerken konnten. Schon jetzt steht der Termin für die Abbruchtagung 2021 fest. Sie findet am 5. März in der "Station" Berlin statt.

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