Anschlagsserie auf Baumaschinen in Sachsen

Brandstiftung sorgt für Schäden in Millionenhöhe

Leipzig am 5. Oktober 2019: Von einem Brand beschädigte Kräne stehen an einer Baustelle der CG-Gruppe.Fotos: Sebastian Willnow/dpa

Leipzig. – Im vergangenen Jahr brennen auf Baustellen in Ostdeutschland mehrfach Bagger, Krane und anderes Baumaschinen-Equipment. Sachschäden im achtstelligen Bereich entstehen, eine Sonderkommission zur Aufklärung der Anschläge wird gegründet, doch trotz Bekennerschreiben konnten die Täter bislang nicht verhaftet werden. ABZ-Redakteurin Jennifer Schüller hat mit einem der betroffenen Unternehmen über die Ereignisse gesprochen – eine Bestandsaufnahme. Die meisten Brand-Anschläge wurden 2019 verübt, doch auch im Jahr 2020 scheint kein Ende der Übergriffe in Sicht zu sein. Bereits am 16. Januar 2020 brennt in Leipzig – der Stadt, in der die meisten Vorfälle gezählt wurden – wieder ein Bagger. Dieser jüngste Vorfall reiht sich in eine Anschlagsserie ein, die in der sächsischen Großstadt vor gut einem Jahr ihren Anfang nahm. Die Ziele der Brandstifter: Baumaschinen. Zunächst stehen Bagger, Kräne und Lkw "nur" auf Baustellen, später dann auch auf Firmenhöfen und Unternehmensgeländen in Flammen. Häufig werden an weiteren Maschinen Brandsätze gefunden, die jedoch nicht gezündet wurden. Rund ein Dutzend Fälle, bei denen Baumaschinen und anderes Material zu Schaden gekommen sind, liegen mittlerweile vor. Die Schäden gehen in den zweistelligen Millionenbereich.

Anschlagsserie

Ein Blick zurück – Das erste Mal brennen in Leipzig Baumaschinen im Fe-bruar vergangenen Jahres. Auf einer Baustelle der Deutschen Bahn werden vier Bagger, davon zwei Minibagger und eine Planierraupe in Brand gesetzt. Der Schaden: rund 1 Million Euro. Zwei Monate später, im Mai 2019, werden erneut ein brennender Bagger sowie ein Drehbohrfahrzeug gemeldet. Es entsteht ein Schaden im unteren sechsstelligen Bereich. Nur wenig später, im Juni 2019, steht dann auf einer weiteren Baustelle in Leipzig eine Teermaschine in Flammen (50 000 Euro Schaden). In allen Fällen bleiben die Täter auf freiem Fuß.

Die Ermittlungsbehörden vermuten, dass die Täter aus dem linksextremen Milieu stammen. Wie aus einem Dokument des Staatsministeriums der Justiz des Freistaats Sachsen hervorgeht, haben sich die links-politisch motivierten Straftaten in Leipzig in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, der Anteil der Brandstiftungen ist dabei von 0 Fällen im Jahr 2009 auf 20 im Jahr 2019 gestiegen. Dementsprechend wirken die benannten Brandstiftungen der ersten Jahreshälfte 2019 fast so, als seien sie nur als ein kleiner Vorgeschmack gedacht gewesen, denn ab August 2019 nimmt die Zahl der Ereignisse sprunghaft zu.

Am 3. Oktober 2019 stehen auf einer Baustelle der CG-Gruppe drei Krane lichterloh in Flammen, drohen infolge des Feuers zusammenzubrechen und auf Wohngebäude zu stürzen. Dieser Anschlag markiert wohl den Fall mit dem höchsten Sachschaden. Das Unternehmen beziffert diesen auf 15 bis 20 Millionen Euro. Das Landeskriminalamt Sachsen schreibt eine Belohnung für sachdienliche Hinweise von Zeugen in Höhe von 100 000 Euro aus. Doch auch dieser Ansatz scheint bislang nicht von Erfolg gekrönt. Später im Oktober brennen weitere Male Bagger auf Leipziger Baustellen. Auch hier scheint von den Tätern keine Spur.

Eine neue Stufe der Eskalation scheint im November 2019 erreicht. Denn erstmals zündeln die unbekannten Brandstifter nicht mehr "nur" auf Baustellen, sondern stecken auf Firmenhöfen und Unternehmensgeländen zweier Bauunternehmen Maschinen an.

Eine der betroffenen Firmen ist die Hentschke Bau GmbH – das Unternehmen gehört laut eigenen Angaben zu den größten Arbeitgebern in Ostsachsen, ist in den Bereichen Verkehrsbauten, Straße und Bahn, schlüsselfertiger Gesellschaftsbau und Sozialgebäudebau sowie Industriebau und Sonderbauten Strahlenschutz aktiv und beschäftigt mehr als 700 Mitarbeiter.

Ein rußgeschwärzter Kran auf der Großbaustelle in Leipzig. Im Vordergrund: Polizeibeamte, die das Areal absichern.

Das Unternehmen wurde nicht zum ersten Mal zur Zielscheibe. Bereits im August 2019 war es indirekt von Brandanschlägen betroffen, als ein Bagger auf einer gemeinsam mit der VSTR Rodewisch betriebenen Baustelle in Zwickau in Brand gesetzt wurde. Dieses Unternehmen wurde am selben Tag wie Hentschke Bau auf dem eigenen Betriebsgelände angegriffen. "Mittlerweile ist die Hentschke Bau GmbH vier Mal Opfer von Attacken geworden", erklärt Falk Al-Omary, Pressesprecher von Hentschke Bau im Gespräch mit der ABZ. "Nach den Anschlägen auf der Baustelle in Zwickau und hier direkt auf unserem Firmengelände wurde außerdem ein Polierfahrzeug angegriffen. Dabei kam teure Messtechnik zu schaden."

Bekennerschreiben

Als im August auf der Baustelle von Hentschke Bau und VSTR Rodewisch Baumaschinen brannten, wurde auf der Webseite Indymedia – Medienberichten zufolge eine Internet-Plattform der linken Szene Deutschlands – ein anonymes Bekennerschreiben veröffentlicht. Darin heißt es: "In der Nacht auf Montag haben wir mehrere Baufahrzeuge auf dem Gelände der JVA Zwickau Marienthal in Brand gesetzt. Dabei brannte ein Bagger vollständig aus, die weiteren vier Bagger und ein Radlader wurden durch unser Feuer beschädigt und teilweise unbrauchbar gemacht." In dem auf der Internetseite veröffentlichten Post nennen die vermeintlichen Täter mehrere Gründe für den Anschlag. Einer bezieht sich auf die Baustelle als solche, denn bei dem Projekt handelt es sich um den Bau einer Justizvollzugsanstalt. "Nach Ansicht der Täter beteiligt sich Hentscke Bau mit dem Bau der JVA offenbar an Freiheitsberaubung", sagt Hentschke-Pressesprecher Al-Omary. Im Bekennerschreiben wird dazu deutlich Stellung bezogen und die Institution Gefängnis als solche abgelehnt. Ferner könne sich Hentschke Bau, so heißt es in dem veröffentlichten Artikel auf der Online-Plattform, mit der Realisierung dieses Projekts "einiges in die Taschen stecken". Neben der Ablehnung des "Knasts als Institution" – O-Ton Indymedia – scheint für die Täter aber auch die politische Orientierung des Hentschke-Bau-Geschäftsführers Jörg Drews eine Rolle zu spielen. Drews ist Mitglied des Stadtrates und hat im Wahljahr 2017 mit seiner Firma die AfD unterstützt. Auch ein Bekennerschreiben auf Indymedia nimmt Bezug darauf.

Nach dem Anschlag auf die Baustelle in Zwickau, werden dann ein Bagger, ein Sattelzug mit Tieflader sowie eine Straßenwalze auf dem Firmengelände von Hentschke Bau in Bautzen angezündet. Und wieder veröffentlichen die vermeintlichen Verantwortlichen auf Indymedia ein Bekennerschreiben und nehmen sogar Bezug auf ihre Tat im August: "In der Nacht zum 5. November haben wir zweimal zugeschlagen: Einmal in Rodewisch beim Straßenbauunternehmen VSTR GmbH und bei der Hentschke Bau GmbH in Bautzen. An beiden Orten haben wir schwere Baugeräte in Brand gesetzt und zwei Lastwagen, zwei Bagger, einen Kleintransporter und eine Sattelzugmaschine den Flammen übergeben. Der entstandene Sachschaden liegt im sechsstelligen Bereich. Beide Firmen haben Aufträge zum Bau der neuen JVA in Zwickau-Marienthal angenommen und ziehen dort fleißig die neuen Knastmauern hoch. Nach dem erfolgreichen Angriff auf die Baustelle im August 2019, haben wir uns nun dieser Aktion angeschlossen."

Sowohl bei der Hentschke Bau GmbH, als auch bei VSTR Rodewisch (dort wurden ein Bagger, zwei Zugmaschinen und ein Transporter in Brand gesetzt) belaufen sich die Schäden auf eine knappe halbe Million Euro. Die Täter? Von ihnen fehlt offenbar noch immer jede Spur. Nach mehr als einem halben Dutzend Brandanschlägen und scheinbar keinen stichhaltigen Ergebnissen in Bezug auf die Verursacher bewegt schließlich der Angriff auf eine Mitarbeiterin einer Immobilienfirma Sachsens Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller und den sächsischen Justizminister Sebastian Gemkow dazu, eine Sonderkommission Linksextremismus Leipzig (SoKo LinkX) ins Leben zu rufen.

Bei diesem speziellen Fall waren vermummte Täter der Prokuristin einer Immobilienfirma zuhause aufgelauert und haben ihr mehrfach ins Gesicht geschlagen. Die Frau betreut ein Neubauprojekt mit 40 Wohnungen im Stadtteil Leipzig-Connewitz. In einem Bekennerschreiben auf Indymedia heißt es zu dem Angriff: "Wir freuen uns, wenn sich der Bau von Luxuswohnung oder Ähnliches verzögert, denken aber, dass diese Aktionsform angesichts vollumfänglicher Versicherungsabdeckung nur symbolischen Charakter hat. Wir haben uns deswegen entschieden, die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts im Leipziger Süden da zu treffen, wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht."

SoKo LinkX

Die SoKo LinkX beschäftigt sich nun unter anderem mit der Brandanschlagsserie. Zu aktuellen Ermittlungsergebnissen durfte das LKA Sachsen auf Nachfrage seitens der ABZ keine Angaben machen.

Seit nun fast einem Jahr hält die Anschlagsserie Polizei und Bauunternehmen in Sachsen und speziell Leipzig in Atem. Die Schäden liegen mittlerweile im zweistelligen Millionenbereich. Wie reagieren die Bau-Unternehmen derweil auf die angespannte Situation?

Die Hentschke Bau GmbH beispielsweise war nun insgesamt bereits vier Mal von Attacken betroffen. "Wir haben die Sicherheit stark erhöht", erklärt Hentschke-Pressesprecher Falk Al-Omary. Welche Vorkehrrungen genau getroffen wurden wolle man aber nicht verraten.

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