Vom Pioniergeist zum Großkonzern

Liebherr feiert Neuheiten und Jubiläum

Kirchdorf an der Iller. – Der Blick nach vorn und der Einsatz neuer Technologien prägte seit der Firmengründung das Selbstverständnis der Liebherr-Gruppe. Das wurde auch zu den Feierlichkeiten des 75-jährigen Jubiläums deutlich, die unlängst am Gründungsstandort in Kirchdorf an der Iller stattfanden: Zahlreiche Baumaschinen-Neuheiten wurden ebenfalls präsentiert.

Passend zum 75-jährigen Jubiläum am Gründungsstandort in Kirchdorf an der Iller standen zahlreiche Mobilbagger Spalier – auch heute noch werden die Maschinen vor Ort produziert. Foto: Kai-Werner Fajga

Wie sehr Zukunft und Vergangenheit miteinander verbunden sein können, lässt sich besonders gut am Firmenstandort Kirchdorf an der Iller von Baumaschinenhersteller Liebherr beobachten: Wo heute modernste Bagger produziert werden, befinden sich auch das erste Büro von Firmengründer Hans Liebherr Liebherr und Baumaschinen der ersten Generation des Herstellers in musealer Erhaltung.

Dieses Jahr ist für die Firmengruppe ein ganz besonderes, denn es ist genau 75 Jahre her, dass Firmengründer Hans Liebherr das Patent für den ersten mobilen Turmdrehkran der Welt, den TK 10, einreichte – und damit das Unternehmen Liebherr gründete. Nach einer kurzen anfänglichen Zurückhaltung des Markts, wurde schnell klar, dass der Kran einen erheblichen Beitrag zum effizienten Wiederaufbau Europas nach dem zweiten Weltkrieg leisten kann. Auch wenn die Produktpalette seit dieser Erfindung um ein Vielfaches gewachsen ist und sich mittlerweile über 13 Produktsegmente erstreckt, so symbolisiert der TK10 den Pioniergeist und den Durchhaltewillen, die Hans Liebherr den Markteinstieg ermöglichten und die Firmengruppe bis heute prägen. Selbstverständlich findet sich auch ein originaler TK 10 am Standort in Kirchdorf.

Das Einsatzgewicht des neuen A 918 Compact Litronic Mobilbaggers liegt bei 17 500 bis 19 600 Kilogramm. Der Mobilkran LTM 1100-5.3 soll beim Thema flexible Achslasten neue Maßstäbe setzen. Foto: Kai-Werner Fajga

Um das Jubiläum angemessen in der Öffentlichkeit zu würdigen, hatte Liebherr im Oktober Journalisten der Bau-Fachpresse aus aller Welt nach Kirchdorf eingeladen. "Alles begann mit einem Kran" begann Steffen Günther, Managing Director Liebherr-International seinen Vortrag und gab einen Überblick zur Firmengeschichte, bevor er sich dem aktuellen Geschehen im Baugewerbe und im Liebherr-Konzern zuwendete. Sein Vortrag trug den Titel "75 Jahre Liebherr – Diversifizierung und Dezentralisierung als Basis für die erfolgreiche strategische Expansion der Firmengruppe" und Günther vermittelte als Managing Director anschaulich, dass der Blick nach vorn und der Einsatz neuer Technologien nicht nur zur Historie des Konzerns gehört, sondern auch das Selbstverständnis der Liebherr-Gruppe und aller Mitarbeiter heute prägt.

Das unterstrichen auch die weiteren Vorträge von Philipp Suhm, Head of Engineering Technology Coordination mit dem Titel "Mit differenzierten Antriebslösungen in Richtung Defossilierung" und von Heinz Klemm, Director Liebherr-Digital Development über "Technologieentwicklung und Digitalisierung mit besonderem Fokus auf Künstliche Intelligenz".

Die Firmengruppe habe immer das Ziel vor Augen, "den Kunden mit zukunftsorientierten und passgenauen Lösungen bestmöglich zu unterstützen", die Themenfelder Digitalisierung und Dekarbonisierung spielen dabei eine große Rolle, da sie laut Liebherr nicht nur Kunden und Partner bereits heute beschäftigen und auch künftig maßgeblich beeinflussen werden, sondern auch in der Gesellschaft gesamthaft eine hohe Relevanz haben. "Liebherr ist – dem Pioniergeist der Gründerjahre folgend – bestrebt darin, diese Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen", lautete die Botschaft.

Dass dieser Satz bei Liebherr nicht einfach so dahingesprochen, sondern faktisch mit Inhalten, Anwendungen und Produkten hinterlegt wird, zeigte sich den Journalisten nach weiteren Vorträgen und anhand der diesjährigen Neuheitenpalette des Herstellers. Liebherr präsentierte außer dem neuen Neuer Liebherr-Mobilkran LTM 1100-5.3, dem neuen Compact-Mobilbagger den A 918, dem neuen Zweiwegebagger A 922 Rail, der neuen 36 XXT Autobetonpumpe, dem neuen Raupenbagger R 928 G8 auch einen Wasserstoff-Radlader L566 H2 und verschiedene Anwendungen.

Als Hans Liebherr 1953 einen Seilbagger mietet, fällt ihm das Missverhältnis zwischen Gewicht und Leistung auf. Acht Monate später präsentiert er mit dem L 300 den ersten Hydraulikbagger in Europa. Foto: Kai-Werner Fajga

Aus dem Programm der Compact-Mobilbagger wurde der A 918 Compact Litronic nue vorgestellt. Das Einsatzgewicht des A 918 Compact Litronic liegt bei 17500 bis 19600 Kilogramm. Die 115 kW/156 PS starke Maschine kombiniert diese Leistungsstärke ideal mit enormer Flexibilität, verspricht der Hersteller. Die Maschine kann im Fahrmodus zwischen 20 bis 37 km/h betrieben werden. Die Anforderungen der Abgasstufe V werden beim A 918 Compact mit dem von Liebherr entwickelten SCR-System, bestehend aus Dieseloxidationskatalysator, SCR-Katalysator und Partikelfilter, erfüllt. Mit dem Liebherr-Power-Efficiency (LPE), das alle Powermanagementprozesse der Liebherr-Compact-Mobilbagger regelt, soll der Kraftstoffverbrauch deutlich reduziert werden.

Auch der Liebherr-Zweiwegebagger A 922 Rail soll mit Leistung überzeugen: Mit dem 120 kW/163 PS starken Motor soll der A 922 Rail eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit bei gewohnt flüssigen Arbeitsbewegungen erreichen. Das Hydraulikkonzept des A 922 Rail umfasst eine Liebherr-Verstelldoppelpumpe mit unabhängigen Regelkreisen. Leistungsstarke, hydraulische Anbauwerkzeuge sollen so unabhängig von den Arbeits- und Fahrbewegungen des Liebherr-Zweiwegebaggers betrieben werden können. Zum Gesamtpaket des A922 R zählen die Grundmaschine, Schienenfahrwerk, Schnellwechselsystem und Anbauwerkzeug. Alle Sicherheitssysteme werden von Liebherr selbst entwickelt und auf die Maschine zugeschnitten.

Der in Kirchdorf vorgestellte L 566 H2 ist der weltweit erste Prototyp eines Großradladers mit Wasserstoffmotor, versichert der Hersteller. Er wird aktuell umfangreichen Praxistests unterzogen. Foto: Kai-Werner Fajga

Der Raupenbagger R 928 G8 ist ein ganz neues Modell, entwickelt und produziert von Liebherr-France SAS in Colmar. Diese Maschine ergänzt die aktuelle Generation 8, die bereits 7 Modelle von 22 bis 45 Tonnen Gesamtgewicht umfasst, und reiht sich zwischen dem R 926 G8 und dem R 930 G8 ein. Der R 928 G8 besitzt den gleichen Oberwagen und die gleiche Ausrüstung wie der R 926 G8 und den gleichen LC- beziehungsweise NLC-Unterwagen wie der R 930 G8. Die Leistung des R 928 G8 ist zwischen dem R 926 G8 und dem R 930 G8 angesiedelt, sein optimiertes Gewicht soll zudem die Lösung von den bisherigen Transportproblemen erleichtern.

Den neuen Mobilkran LTM 1100-5.3 präsentierte Liebherr unter dem Slogan "The master of all roads", da er weltweit wirtschaftlich mobil mit nur 9 Tonnen Achslast verfahren werden könne. Er ist der zweite Kran der Liebherr-Palette mit der neuen LICCON3-Steuerung und bietet einen 62 Meter langen Teleskopausleger. Beim Thema flexible Achslasten soll der neue LTM 1100-5.3 bisher unerreichte Maßstäbe setzen: Mit 0,8 Tonnen Ballast erreicht er ein Gesamtgewicht von 44 Tonnen und Achslasten von 9 Tonnen. Mit 4,4 Tonnen Ballast fährt er mit 10 Tonnen Achslast und 48 Tonnen Gesamtgewicht. Bei 12 Tonnen Achslast nimmt der neue 100-Tonner bis zu 16,9 Tonnen Gegengewicht mit. Das sind 75 Prozent des Maximalballastes von 22,5 Tonnen. Ein neuer Rekord bei Mobilkranen weltweit.

Nach umfangreichen Testreihen startet der Verkauf der völlig neuentwickelten Autobetonpumpe 36 XXT von Liebherr. Ein wesentliches Highlight der neuen 36 XXT ist die neuentwickelte Pump-Antriebseinheit "Powerbloc" von Liebherr. Sie zeichnet alut Liebherr dadurch aus, dass alle hydraulischen Schalt- und Messelemente vollständig integriert sind. So werden zahlreiche zuvor noch notwendige Hydraulikschläuche und weitere Bauteile überflüssig. Der neue fünfteilige Verteilermast sollen dabei ein Höchstmaß an Flexibilität auf der Baustelle erlauben – insbesondere beim Betonieren in Gebäuden beweise der Mast besondere Schlupfeigenschaften. Verschiedenste Positionen auf der Baustelle sollen durch fünf Arme mühelos erreicht werden können.

Das Hydraulikkonzept des neuen Zweiwegebaggers A 922 Rail umfasst eine Liebherr-Verstelldoppelpumpe mit unabhängigen Regelkreisen. Foto: Kai-Werner Fajga

Neue Kransteuerung, neues Betriebssystem, neue Assistenzsysteme und weitreichende Optimierung der Kranelemente definieren die beiden Liebherr-Schnelleinsatzkrane der L-Baureihe. Softwaretechnisch erhalten die Krane die zweite Generation des Betriebssystems Tower Crane OS (Tower Crane Operating System 2). Dadurch sind die Krane mit einer neuen Bedienoberfläche ausgestattet, die Liebherr bereits seit dem Jahr 2021 in den Obendreherkranen der Baureihe EC-B einsetzt. Auch das neue Assistenzsystem Sway Control zur Lastpendeldämpfung ist serienmäßig verbaut. Bewegungen in Dreh- und Katzfahrrichtung, die zu pendelnden Lasten führen, werden davon automatisch erkannt. Die intelligente Lastpendeldämpfung steuert dann aktiv dagegen und korrigiert.

Der in Kirchdorf vorgestellte L 566 H2 ist der weltweit erste Prototyp eines Großradladers mit Wasserstoffmotor, versichert der Hersteller. Die Maschine wird aktuell für zwei Jahre im Kanzelsteinbruch in Gratkorn (Österreich) mit Kooperationspartner Strabag getestet. Um den Radlader direkt im Steinbruch zu betanken, wird eine Wasserstoff-Tankstelle errichtet. Der Energieversorger "Energie Steiermark" liefert den dafür nötigen grünen Wasserstoff. Der L566 H2 verfügt über einen Wasserstoff-Verbrenungsmotor und soll bis zu 100 Tonnen CO2 jährlich einsparen, was etwa 37 500 Litern Diesel entspreche.

Liebherr ist sich der Verantwortung für seine Produkte bewusst – auch in Bezug auf ihre Klimawirkung, hieß es in einem Vortrag. Die Entwicklung emissionsreduzierter Antriebslösungen als Alternative zum klassischen Dieselverbrennungsmotor sei in vollem Gange, bei der Defossilisierung seiner Maschinen gehe Liebherr aber technologieoffen vor. Dazu gehöre, dass HVO-, Elektro- und wasserstoffbasierte Lösungen parallel erforscht und entwickelt werden würden . Bei anderen Ansätzen wie Ammoniak sei "noch einiges an Vorarbeit nötig".

Für den Betrieb von Maschinen mit alternativen Antrieben spiele die benötigte Infrastruktur eine entscheidende Rolle. Insbesondere bei Wasserstoff seien flächendeckende Versorgungsnetze und Tankstellen erforderlich. Auch für Elektroantriebe müssten Ladestationen in ausreichendem Maß verfügbar sein. Liebherr arbeitee aktiv daran, auch diese Hürden zu überwinden. Man darf also durchaus gespannt sein, was der Hersteller zur anstehenden bauma 2025 präsentieren wird.