Zeitgemäßer Gerüstbau

Sicher arbeiten in der Höhe

Dr. Rolf Sontheimer leitet die Technische Abteilung der Wilhelm Layher GmbH & Co KG.Foto: Layher

Güglingen-Eibensbach. – Arbeitssicherheit hat bei Arbeits- und Schutzgerüsten aufgrund ihrer Funktioneine wichtige Bedeutung: Sie bieten Gewerken sicheren Höhenzugang für Arbeiten an Stellen, die vom Boden oder von Geschossdecken aus nicht mehr erreicht werden.

Neben einer sachgemäßen Errichtung des Gerüsts steht auch die Sicherung gegen Absturz bei der Gerüstmontage selbst im Fokus. Die im Februar 2019 in Kraft getretene Neufassung der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2121 Teil 1 hat u. a. das Thema Gefährdungsbeurteilung sowie die daraus abgeleiteten Maßnahmen zum Schutz vor Absturz – v. a. beim Fassadengerüstbau – wieder vermehrt in den Fokus gerückt. Es muss nun entschieden werden, wie in der Praxis mit den neuen Vorschriften umgegangen wird. Der Vorrang technischer Schutzmaßnahmen bedeutet eine Überprüfung der Montageabläufe im Gerüstbau – und in vielen Fällen auch eine grundlegende Umstellung der Montageabläufe.

Die gesetzlichen EU-Richtlinien zur Verbesserung der Arbeitssicherheit sind Auslöser für zahlreiche Verordnungen in den europäischen Mitgliedsstaaten. Auch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und der gerüstspezifische Teil der Technischen Regel 2121 für Betriebssicherheit konkretisieren auf nationaler Ebene das Europäische Arbeitsschutzgesetz. Nach diesem ist "Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird". Nach der allgemein anerkannten Betrachtungsweise von Risiken sind Absturzgefahren dabei an ihrer Ursache zu bekämpfen.

Eine Gefährdungsbeurteilung und die daraus abgeleitete Festlegung von Sicherheitsmaßnahmen sind laut BetrSichV für jede Baustelle vorgeschrieben. Dazu sind bei der Verwendung von Gerüsten auftretende Gefährdungen zu ermitteln und daraus die notwendigen Maßnahmen für die sichere Verwendung der Gerüste abzuleiten und zu treffen – in Abhängigkeit vom einzurüstenden Objekt, der Gerüstbauart und der Gerüstkonstruktion. Entsprechende Vorgaben finden sich in der TRBS 1111 "Gefährdungsbeurteilung". Erstellt werden darf eine Gefährdungsbeurteilung nur von einem Fachmann: der sog. "Fachkundigen Person", die u. a. auch für die Montageanleitung sowie die Aufsicht der Auf- Um- und Abbauarbeiten zuständig ist. Je nach Art der Aufgabe werden unterschiedliche Anforderungen an die fachkundige Person gestellt. Auswahlkriterien sind bspw. Berufsausbildung, Berufserfahrung und zeitnahe berufliche Tätigkeit.

Werden im Gerüstbau für die jeweiligen Montagesituationen oder Tätigkeiten auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen erforderlich, so kommen für den Auf-, Um- und Abbau von Arbeits- und Schutzgerüsten technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen in Frage. Mögliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr können bspw. Absturzsicherungen wie Abdeckungen, Geländer oder Seitenschutz, Auffangeinrichtungen wie Schutznetze, Schutzwände oder Schutzgerüste oder die Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) sein. Speziell im Fassadengerüstbau fordert die Neufassung der TRBS 2121 Teil 1 das bekannte TOP-Prinzip – Technische vor Organisatorischen vor Persönlichen Maßnahmen – noch stärker ein. Montagesituationen ganz ohne Absturzsicherung, wie bisher nach besonderer Unterweisung des Mitarbeiters, werden nicht mehr geduldet. Welche Schutzmaßnahmen im konkreten Fall anzuwenden sind, muss sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben. Egal welche Schutzmaßnahme zum Einsatz kommt, sollten die regelmäßige Sicherheitsunterweisung der Mitarbeiter, das Anfertigen schriftlicher Gefahrenbeurteilungen und die Festlegung von daraus abgeleiteten Maßnahmen in jedem Betrieb zum täglichen Routineablauf gehören.

Gemäß der neuen TRBS 2121-1 ist auf der obersten Gerüstlage für den Horizontaltransport von Gerüstbauteilen bei durchgehender Gerüstflucht mindestens ein einteiliger Seitenschutz oder ein Montagesicherungsgeländer zu verwenden, sofern nicht bauliche Gegebenheiten, bspw. Balkone, Erker, oder besondere Gerüstbauarten, wie z. B. Hänge- oder Raumgerüste, diese Maßnahme der Absturzsicherung nicht ermöglichen. Dabei gilt es zu beachten, dass auch auf der Innenseite von Gerüsten Absturzgefahren bestehen können – z. B. bei Skelettbauten. Umsetzen lassen sich diese Anforderungen sowohl mit temporären Montagesicherungsgeländern wie dem MSG von Layher als auch mit integrierten Lösungen wie dem I-Geländer für das im Fassadengerüstbau weit verbreitete Layher Blitz Gerüst.

Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass die Verwendung eines Montagesicherungsgeländers aufgrund baulicher Gegebenheiten, wie Balkone oder Erker, bzw. der Gerüstbauart nicht möglich ist und eine Auffangeinrichtung als technische Schutzmaßnahme ebenfalls nicht in Frage kommt, ist eine geeignete persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) als personenbezogene Schutzmaßnahme zu verwenden. Das ist z. B. der Fall, wenn nach Länge und Höhe keine durchgehende Gerüstflucht ohne Vor- und Rücksprünge vorhanden ist – oder bei Raumgerüsten, Gerüsttreppen und Treppentürmen, Überbrückungskonstruktionen, auskragenden Gerüstbauteilen oder bei Hängegerüsten. Die Standardausführung einer PSAgA besteht aus einem Auffanggurt nach EN 361 und einem flexiblen Verbindungsmittel mit integriertem Bandfalldämpfer und Rohrhaken. Alle Einzelkomponenten der Schutzausrüstung müssen EG-Baumuster-geprüft sein und die CE-Kennzeichnung tragen. Mindestens alle zwölf Monate ist die PSAgA von einer sachkundigen Person oder vom Hersteller zu überprüfen. Geeignete Anschlagpunkte für die PSAgA sind den jeweiligen Aufbau- und Verwendungsanleitungen zu entnehmen. Anschlagpunkte werden durch gerüstspezifische Fallversuche ermittelt und gelten nur für dieses Gerüstsystem. Die Verwendung der PSAgA setzt eine besondere Gefährdungsbeurteilung voraus und bedingt eine gesonderte Unterweisung der Beschäftigten in der Benutzung der PSAgA, welche auch die Durchführung der erforderlichen Rettungsmaßnahmen beinhaltet. Bei der Nutzung müssen ebenso die Aufbau- und Verwendungsanleitungen der PSA-Hersteller beachtet werden, insbesondere bei der Verwendung von Auffanggurten mit Gurtbandverlängerung. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Arbeiten von fachlich qualifizierten und körperlich geeigneten Personen ausgeführt werden, der Arbeitgeber für diesen Fall eine besondere Unterweisung durchgeführt hat und die Absturzkante für die Personen deutlich erkennbar ist.

Nicht nur bei der Montage, auch bei der Nutzung von Gerüsten liegt der Fokus auf dem Punkt "Arbeits- und Betriebssicherheit". Neben unbeschädigten Bauteilen, vollausgelegten Belagsflächen, dreiteiligem Seitenschutz und einem Wandabstand von max. 30 cm ist darüber hinaus auch der Punkt "Aufstieg" zu beachten. Arbeitsplätze auf Gerüsten dürfen nur über sichere und ergonomische Zugänge betreten werden. Während beim Auf-, Um- oder Abbau von Gerüsten der Zugang über innenliegende Leitern – mindestens alle 50 m – zulässig ist, darf nach der neuen TRBS 2121-1 der Zugang für Gerüstnutzer nur noch bis zu einer Aufstiegshöhe von 5 m oder bei Arbeiten an Einfamilienhäusern über innenliegende Aufstiege erfolgen. Aufzüge, Transportbühnen und Treppen sind bei der Gerüstnutzung gegenüber Leitern grundsätzlich zu bevorzugen. Hierbei handelt es sich laut der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) um eine Leistung, die separat auszuschreiben und abzurechnen ist.

Für den Gerüstersteller hat sich am Prüfprozess und an den zur Prüfung befähigten Personen nichts geändert. Nach dem Auf- und Umbau eines Gerüsts hat der Gerüstersteller ein sicheres Gerüst bereitzustellen. Dazu gehört auch der sog. "Plan für den Gebrauch", der jetzt auch die Art, Anzahl und Lage der Zugänge zu beinhalten hat, sowie die sachgerechte Kennzeichnung des Gerüsts. Hier muss laut der neuen TRBS 2121-1 künftig auch das Datum der letzten Prüfung vermerkt sein. Den Nachweis, dass das Gerüst sicher ist, kann der Gerüstersteller gegenüber dem Gerüstnutzer durch das Protokoll einer Abnahmeprüfung erbringen. Die Prüfung und Protokollierung hat auch dann zu erfolgen, wenn der Gerüstersteller ein Gerüst für den Gebrauch durch seine eigenen Beschäftigten erstellt.

Für Gerüstnutzer ist neu, dass Arbeitgeber, die Gerüste oder Teilbereiche von Gerüsten von Beschäftigten gebrauchen lassen, vor dem Gebrauch eine Inaugenscheinnahme und erforderlichenfalls eine Funktionskontrolle durch eine "qualifizierte Person" auf offensichtliche Mängel durchzuführen bzw. durchführen zu lassen haben. Hierbei wird die Eignung des Gerüsts für die vorzunehmenden Tätigkeiten und die Wirksamkeit der Schutz- und Sicherheitseinrichtungen kontrolliert. Grundlage der Inaugenscheinnahme ist die Gerüstkennzeichnung und ggf. das Prüfprotokoll des Gerüsterstellers.

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