Kiesel

"Wir denken auch nach dem Löffelstiel"

Kiesel-Gesellschafter Jochen Kiesel (r.) und Gesamtvertriebsleiter Lars Kirchner.Foto: Bachmann

Nicht nur im Bausektor, sondern auch für den Materialumschlag bietet Kiesel seinen Kunden ein umfassendes Maschinen- und Dienstleistungsangebot. Wie sich das Unter-nehmen für diesen Markt aufstellt und welche Neuheiten Kiesel auf der diesjährigen IFAT präsentiert, darüber sprach ABZ-Chefredakteur Robert Bachmann in Baienfurt mit dem bei Kiesel auch für den Umschlagbereich zuständigen Gesamtvertriebsleiter Lars Kirchner und Gesellschafter Jochen Kiesel.

ABZ: Herr Kiesel, Herr Kirchner, am Bau laufen die Geschäfte derzeit ausgesprochen gut. Gilt das auch für den Bereich Materialumschlag?

Kiesel: Im Materialumschlag verhält es sich ein wenig anders als am Bau. Speziell in den Bereichen Schrott und Recycling hatten unsere Kunden zuletzt schwächere Jahre zu verzeichnen. Seit 2016 macht sich jedoch eine deutliche Erholung bemerkbar, an der wir sehr gut partizipieren können. Zugleich dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass diese positive Entwicklung auch daraus resultiert, weil sich ein Investitionsstau gebildet hat, der nun aufgelöst wird. Wir haben es hier mit einer vergleichsweise kleinen Branche zu tun, die durch die starke Abhängigkeit von internationalen sowie politischen Entwicklungen, speziell im Recycling-Bereich, sehr volatil ist, was bedeutet, dass die Ausschläge hier schnell und heftig sind.

Kirchner: Die Geschäftslage ist in der Tat ausgezeichnet. Im Vergleich zu 2016 konnten wir im vergangenen Geschäftsjahr unsere Stückzahlen nahezu verdoppeln. Mit dem Wachstum der Märkte ergeben sich aber auch Herausforderungen hinsichtlich der Lieferbarkeit von Maschinen.

ABZ: Wie reagieren Sie auf diese Herausforderung?

Kirchner: Unter anderem, indem wir stets ein gewisses Kontingent an Maschinen vorhalten. Darüber hinaus haben wir ein umfangreiches Gebrauchtmaschinen- und Mietangebot, mit dem wir Spitzen in der Nachfrage gut kompensieren können. Mit unseren Schwerpunktpartnern, wie in diesem Bereich Fuchs, sprechen wir natürlich jedes Jahr über definierte Planmengen für das jeweils nächste Jahr. Auf dieser Grundlage können wir eine gewisse Liefertreue gewährleisten.

ABZ: Mit Fuchs verbindet das Unternehmen Kiesel eine besondere Beziehung . . .

Kiesel: Wir befinden uns aus Firmenperspektive in einem besonderen Jahr: 2018 feiern wir das 60-jährige Firmenjubiläum sowie die Eröffnung unseres Forums für Innovation und Technik in Stockstadt. Bevor mein Vater 1958 das Unternehmen Kiesel gegründet hat, hat er einige Jahre bei Fuchs gearbeitet. Aus der ersten Stunde heraus verbindet uns mit der Marke Fuchs also eine ungebrochene, nunmehr 60 Jahre anhaltende Tradition. Seit jeher ist der Materialumschlag daher bei uns auch ein separater Geschäftsbereich. Wir haben derzeit etwa 250 Monteure, die speziell auf das Thema Fuchs geschult sind. Es gibt immer wieder Überschneidungen, in vielen Details unterscheiden sich Bau- und Umschlagmaschinen jedoch sehr.

Fuchs-Umschlagbagger MHL350F im Einsatz bei der Fritz Warnecke GmbH aus Oelde.Fotos: Kiesel

ABZ: Wie genau?

Kiesel: Im Vergleich zum Bau haben wir es im Materialumschlag überwiegend mit Schlüsselmaschinen zu tun. Das bedeutet, wenn diese Maschine steht, steht damit unter anderem auch die komplette Materiallogistik. Das bringt natürlich ganz besondere Herausforderungen im Service mit sich. Auch deshalb, weil die Maschinen durch Mehrschichteinsätze, anspruchsvolle Arbeitsumgebungen stärker beansprucht werden als im Baubereich. Aufgrund unserer jahrzehntelangen Expertise in dieser Branche unterscheiden wir uns sicherlich auch von einigen Marktbegleitern.

Kirchner: Darüber hinaus pflegen wir auch in diesem Bereich den Systemgedanken. Das bedeutet, auch im Materialumschlagbereich verkaufen wir nicht einfach Maschinen, sondern Systemlösungen. Wir bieten als einziger Händler das gesamte Produktportfolio, Lademaschinen von 15 bis 300 t, Industrie-Radlader, passen-de Anbaugeräte, Sonderlösungen sowie sämtliche verbundenen Dienstleistungen bis hin zur hauseigenen Finanzierung. Wir spielen also auch hier das ganze Klavier, inkl. der schwarzen Tasten.

ABZ: Welchen Stellenwert hat die IFAT in diesem Zusammenhang für Kiesel?

Kiesel: Die IFAT gilt nicht ohne Grund als Weltleitmesse in der Umwelt- und Entsorgungsbranche. Man kann sie durchaus als DIE Plattform der Recycling- und Entsorgungsbranche bezeichnen. Entsprechend ist der Stellenwert dieser Messe für uns sehr hoch. Nicht zuletzt, weil sich hier in besonderer Weise unser über viele Jahrzehnte gewachsenes Verhältnis zu unseren Kunden im Materialumschlag zeigt. Der Kiesel-Stand ist mit der Zeit zu einem zentralen Treffpunkt für unsere Kunden auf der IFAT geworden. Darauf sind wir sehr stolz.

ABZ: Welche Neuheiten haben Sie konkret im Gepäck?

Kirchner: Im Bereich Fuchs präsentieren wir natürlich die aktuelle F-Modellreihe mit der neuen Kabinengeneration, die in vielen wichtigen Details überarbeitet wurde. Auf dem Demogelände im Freien präsentieren wir zudem einen MHL335 F im Live-Einsatz, bei der Beschickung eines Schredders.

Ein klares Highlight wird der Prototyp des Fuchs MHL250 F sein, den wir auf der IFAT zum ersten Mal präsentieren werden und der ab 2019 erhältlich sein wird. Mit dieser Maschine schließen wir wieder eine wichtige Lücke in diesem Segment, die sich nach Auslaufen des Vorgängermodells infolge der Neuregulierung der Abgasnorm ergeben hatte. Mit dem Vorgänger waren wir seinerzeit die einzigen, die eine solche Maschine in der 17-t-Klasse angeboten haben. Wir sind sehr froh, dieses Kundensegment jetzt wieder angemessen bedienen zu können.

ABZ: Wie sieht es im Radlader-Segment aus?

Kiesel: Auch hier haben wir in diesem Jahr etwas Besonderes: Der ZW180-6PL Highlift ist eine für das Recycling besonders gut ausgestattete Industriemaschine, die sich bereits vielfach bewährt hat. Das PL steht dabei für Parallel-Lift mit einem Sonder-Highlift-Hubgerüst. Der ZW180-PL-6 Highlift ermöglicht somit das Verfahren, Beladen, Verteilen und Endverdichten in Schubboden-Lkw in einem Arbeitsgang. Auch hohe Bordwände lassen sich mit der Highlift-Ausstattung besser überwinden.

Zudem werden wir auf der IFAT zu unseren verschiedenen KTEG-Produkten informieren, darunter unsere jüngste Entwicklung aus dem Sonderbau, den Kiesel Multi Carrier KMC355. Dieser ist aufgrund seiner Größe vor allem für den Einsatz im Stahlschrottbereich prädestiniert. Das Besondere an dieser Maschine ist sein einzigartiges Armschnellwechselsystem (Kiesel BQC), so dass sich hier mit einer Maschine verschiedene Einsatzmöglichkeiten wie im Kranbereich zum sicheren Heben von bis zu 25 t ergeben. Die Maschine kann so außerdem mit einer 6-t-Schere in dieser Gewichtsklasse arbeiten, was ihr eine besonders hohe Produktivität verleiht, wie sie im radmobilen Bereich ihresgleichen sucht.

Im Kompaktmaschinenbereich werden wir u. a. den Giant-Radlader V761 als Telelader zeigen. Dieser ist mittlerweile auch in der Recyclingbranche gut etabliert. Er überzeugt mit einer sehr hohen Nutzlast bei extrem starken Aggregaten. Der Kiesel-Partner Tobroco-Giant überzeugt zudem mit einer großen Varianz von Anbaugeräten.

Hitachi-Radlader ZW180TPD-6 Highlift im Einsatz bei der AKG Achauer Kompostierungs GmbH aus Pfaffenhofen.

ABZ: Anbaugeräte gehören zu den Kernkompetenzen bei Kiesel. Was haben Sie für die IFAT-Besucher in diesem Bereich im Gepäck?

Kiesel: Gemäß unserem Slogan "Wir denken auch nach dem Löffelstiel" legen wir seit jeher großen Wert auf dieses Thema. Neben der Maschinengröße wird das ganze Thema Produktivität im Grunde allein durch das Anbaugerät definiert. Deswegen kümmern wir uns um dieses Thema schon seit Langem mit einem eigenen Geschäftsbereich. Auf der IFAT werden wir zeigen, was es dort im Recycling-Bereich alles an Scheren, Schienenknackern etc. gibt. á

Kirchner: Dazu gehört auch das neue Wiegesystem unseres Partners Intermercato. Das Besondere dabei ist, dass es sich dabei im Vergleich zu vielen anderen Wettbewerbsprodukten dieser Art um ein dynamisches Wiegesystem für Materialgreifer, also hängende und pendelnde Lasten, handelt. Diese Waage ist sowohl einzigartig in ihrer extrem robusten, zug- und druckfesten Bauweise als auch in ihrer Fähigkeit, die hängenden Lasten in der Bewegung und damit ohne Verzögerung des Verladevorgangs zu wiegen. Dieses System hat sich bereits umfassend bewehrt und kommt nun in einer neuen Version, die noch einmal kompakter, exakter in den Wiegeergebnissen und flacher im Aufbau ist.

ABZ: Spielt auch die derzeit viel diskutierte Digitalisierung eine besondere Rolle für Ihre Kunden im Materialumschlag?

Kirchner: Was unsere Kunden konkret nachfragen, sind im ersten Moment weniger konkrete digitale Lösungen als Möglichkeiten, Maschinen Kraftstoff-effizienter arbeiten zu lassen. Hier bieten wir selbstverständlich auch alle gängigen Möglichkeiten der Telematik. In diesem Bereich arbeiten wir aktuell daran, offene Schnittstellen zu integrieren, damit der Kunde seine Maschinendaten auch bei gemischten Fuhrparks auf einer Ebene verwalten kann.

Kiesel: Die nächste Unternehmer-Generation rückt allmählich nach und die Nutzungsgewohnheiten verändern sich. Entsprechend investieren wir in die Erschließung neuer Kommunikations- und Vertriebswege wie Social Media, E-Learning usw. Wir werden in diesem Zusammenhang u. a. noch in diesem Jahr eine neue Internetseite mit integriertem Web-Shop ins Leben rufen.

Zeitgleich haben wir in diesem Jahr die größte Investition in der Firmengeschichte vorgenommen, den Bau unseres Forums für Technik und Innovation in Stockstadt. Diese wird u. a. auch ein Think Tank für neue Technologien und Geschäftsmodelle sein sowie die Kiesel Akademie beinhalten. Dabei wird ein starker Fokus auf eben diesen Themen eines sich wandelnden Marktes liegen. Insbesondere werden wir uns dort der Aus- und Weiterbildung widmen. Ich denke, neben aller Diskussion um die Digitalisierung wird die Suche nach Fachkräften und deren Qualifizierung die zentrale Herausforderung von Morgen sein.