Baumaschine XXL

Riesenbagger gewinnt im Steinbruch pro Stunde 470 Tonnen Rohmaterial

In die 9,5 m³ große Schaufel passen bis zu 20 t Material.Fotos: Zeppelin

Beckum (ABZ). – Im Zementwerk Beckum-Kollenbach gewinnt einer der größten Bagger Deutschlands, Kettenbagger Cat 6030FS, seit Kurzem Kalk und Kalkmergelgestein.

1550 PS oder 1140 kW Leistung hat der Cat Bagger 6030FS. Er ist 15 m lang, 7,5 m hoch und hat 294 t Einsatzgewicht. In seine 9,5 m³ große Schaufel passen bis zu 20 t Material. Bislang gab es in Deutschland keine Einsätze für einen solchen Riesen-Bagger. Das Modell, das Caterpillar in seinem Werk in Dortmund fertigt, wurde eher in großen Minen am anderen Ende der Welt wie in Australien zum Abbau von Rohstoffen eingesetzt. Seit Anfang April ist einer der größten Bagger auch in Deutschland in Betrieb: im Steinbruch des Zementwerks Beckum-Kollenbach, Teil der Holcim Deutschland Gruppe, einem der größten Baustoffproduzenten hierzulande und Teil des weltweit agierenden Lafarge Holcim-Konzerns. Hier baut er Kalk- und Kalkmergelgesteine ab.

Welche gewaltigen Ausmaße der Bagger hat, zeigt sich schon bei der Montage: Zwölf Sondertransporter nahmen im Februar Fahrt auf und lieferten die Fracht nach Beckum. Alleine der Aufbau nahm dreieinhalb Wochen in Anspruch. Um alle Bauteile im Lot ausrichten zu können, wurde der Montageplatz vorab extra befestigt. Zwei Krane à 100 t Hublast waren nötig, um die tonnenschweren Komponenten abladen und aufbauen zu können.

Um zu ihm und seiner Ladestelle zu gelangen, geht es vorbei am Wärmetauscherturm und den Zementsilos. "Wir können mit unserer Verladung Lkw in 10 bis 12 Min. verladen. Die Verladung kann innerhalb von 24 Std. sieben Tage die Woche erfolgen", sagt Helmut Reiterer, Werkleiter Beckum Holcim WestZement. Der Cat 6030FS ist an sechs Tagen tätig und gewinnt die anstehenden Kalk und Kalkmergelgesteine im Direktabbau. Gefordert werden von ihm mindestens 470 t Rohmaterial pro Std. Darüber hinaus erledigt er Nebenarbeiten wie etwa das Zerkleinern von zu großen Gesteinsbrocken.

Am Standort Beckum werden 145 Mitarbeiter beschäftigt. Im Steinbruch sind derzeit elf Mitarbeiter tätig, die das Zementwerks mit Kalk- und Kalkmergelsteinen versorgen – einer von ihnen ist Uwe Reimann, Fahrer des neuen Cat 6030FS, der den Koloss mit zwei anderen Kollegen bedient. Auch wenn er seit 26 Jahren als Maschinist arbeitet, war für ihn die Inbetriebnahme des neuen Arbeitsgeräts in den Dimensionen XXL keine Routine, obwohl er zuvor in den Steinbrüchen einen Großhydraulikbagger mit einem Dienstgewicht von etwa 240 t bewegte. Weil dieser 25 Jahre erreicht und gut 25 000 Bh geleistet hatte, jedoch eine Reparatur sowie stetige Wartung in keinem wirtschaftlichen Verhältnis standen, beschäftigte sich Holcim seit 2015 intensiv damit, mit welcher Technik in Zukunft der Abbau erfolgen sollte.

Hinzugezogen wurde Stefan Oppermann von der Zeppelin Einsatz- und Projektberatung. Schon vor 20 Jahren ging der Spezialist der Frage nach, wie die auftretenden Mergelschichten wirtschaftlich zu gewinnen sind. "Wir haben im Lauf der Zeit verschiedene Möglichkeiten untersucht und Tests und seismische Untersuchungen durchgeführt, um die Beschaffenheit des Gebirges zu ermitteln und mit welcher Technik die geforderte Tonnage erreicht werden kann", so Oppermann.

Das führte zum Ergebnis, einen Hochlöffelbagger mit Klappschaufel vorzuschlagen, der entsprechende Grabkräfte aufbringt, um das Material zu lösen, zu zerkleinern und mit dem die Baumaschine in allen Kalk- und Kalkmergelschichten stabil die geforderte Förderleistung zur Versorgung des Zementwerks sicherstellen kann.

Es wurden Leistungsdaten gegenübergestellt und die passende Ausstattung ermittelt. Dabei spielten mehrere Faktoren eine Rolle, die es zu berücksichtigen galt, wie etwa die notwendige Abbauhöhe und die Mächtigkeit einzelner Mergelschichten, aber auch Servicekosten und das Servicekonzept in Form eines auf 15 000 Bh ausgelegten Full-Service-Vertrags, den die Zeppelin Niederlassung Hamm ausführt. So wurde mit Zeppelin auch ein täglicher Maschinencheck erarbeitet, um frühzeitig Störungen und Beschädigungen zu erkennen. "Da gerade eine solche Maschine selten in Deutschland eingesetzt wird und entsprechende Erfahrungen nicht gegeben sind, war uns ein überzeugendes Konzept sehr wichtig", äußert Kevin Haß, Einkaufsmanager Mining, Logistics und Trucks bei Holcim Deutschland. Doch das war nicht das Einzige, was sich das Unternehmen genau angeschaut hat. "Auch auf einen effizienten Kraftstoffverbrauch haben wir bei diesen Dimensionen großen Wert gelegt. Schon jetzt lässt sich feststellen, dass wir in Bezug auf den Kraftstoffverbrauch eine der effizientesten Maschinen in dieser Größe angeschafft haben. Im Gegensatz zum Vorgänger, der zwar ein wenig kleiner ist, schneiden wir im Durchschnitt deutlich besser ab", so Michael Dommin, Leiter Gewinnungsbetriebe bei Holcim West Zement. Zu berücksichtigen waren neben dem Einsatzgewicht die Grabkräfte. Hier wirkt sich ein wesentliches Merkmal des Baggers aus: die Tri-Power-Kinematik. Die Anlenkung von Hub- und Schaufelzylinder über eine Dreieckskonstruktion sorgt laut Hersteller für erhöhte Vorschub- und Grabkräfte an der Schaufel und höhere Auslegermomente als bei einer herkömmlichen Baggerkinematik ohne höheren Energieeinsatz. Außerdem sichert die automatische winkelkonstante Schaufelparallelführung einen hohen Füllungsgrad und verhindert ein Überkippen des Materials. Eine weitere Vorgabe des Betriebs: Die Ladespiele sollten zügig über die Bühne gehen – kurze Taktzeiten waren ebenso Bedingung. Schließlich mussten auch die auftretenden Emissionswerte überzeugen. "Uns ging es darum, auftretende Geräusche für die Anwohner sowie für unsere eigenen Mitarbeiter gering zu halten, was durch den Einbau eines Geräuschunterdrückungssystems erreicht wird", erklärt Michael Dommin. Nicht nur in diesem Punkt unterscheidet sich der Bagger von Anbietern am Markt, sondern auch sonst wurden einige Modifikationen in der Ausrüstung vorgenommen, um diese an die Einsatzbedingungen anzupassen. Bei den Ketten sollte eine größere Aufstandsfläche als bisher erreicht werden, um die Flächenpressung des Geräts auf den Untergrund zu reduzieren. "Uns war es wichtig, dass unterhalb der Aufstandsflächen der Kette nicht die anstehenden Kalkmergelschichten zerstört werden", führt der Leiter Gewinnungsbetriebe bei Holcim West Zement aus.

Was den Fahrerkomfort und die Arbeitssicherheit betrifft, so wurde auch an Maschinisten wie Uwe Reimann gedacht – der Aufstieg zur Kabine erfolgt über Trittstufen, die im 45°-Winkel angelegt sind, was den Zugang sicher und angenehm macht. Denn der Fahrer kann nun nicht nur rückwärts, sondern auch vorwärts auf- und absteigen. Muss der Fahrer für Wartungsarbeiten den Oberwagen betreten, gewährleisten Noppen am Blech mit Antirutschfunktion einen sicheren Stand. "Der Steuerblock wurde auf den Baggerarm gelegt, was im Hinblick auf die Zugänglichkeit von Vorteil ist, wenn Wartungsarbeiten ausgeführt werden müssen. Früher musste extra ein Hubsteiger eingesetzt werden, was auch mit Zeitaufwand verbunden war. Mit der neuen Lösung sind wir wesentlich flexibler", stellt Uwe Reimann dar, während er seinen Arbeitsplatz samt zentraler Bedienelemente wie dem Touchpad vorstellt und darauf hinweist, dass das Fahrerhaus größer ist als manches Büro oder Wohnzimmer. Die Einstellmöglichkeiten seines Sitzes kommentiert er so: "Der Sitz ist luftgefedert, beheizbar und ein echter Traum. Man kann alle erdenklichen Einstellungen hinsichtlich der gewünschten Sitzposition vornehmen. So ist man bestens gegen Stöße und Erschütterungen gesichert, was nicht zuletzt auch an der Endlagendämpfung liegt." Ein Aspekt, der im Zuge des Abbaufortschritts wichtig werden wird, wenn die zähen Beckumer Schichten gelöst werden müssen.

Motorstart des 294-t-Baggers mit dem Bürgermeister der Stadt Beckum, Dr. Karl-Uwe Strothmann, zusammen mit dem Management und Mitarbeitern von Holcim, Zeppelin und Caterpillar.

Weil Arbeitsschutz in dem Rohstoffbetrieb einen immensen Stellenwert hat, wurden auf besonderen Kundenwunsch diverse Extras umgesetzt. "Problematisch war das Reinigen der Fensterscheiben bei dem Vorgänger. Nur wenn man sich halb aus dem Fenster gelehnt hat, konnte man die Scheiben halbwegs wieder sauber bekommen – oft hat man dabei mehr verschmiert. Nun wurde extra ein Wartungssteg angebracht, den man begehen kann. So kann man auch im Winter die Scheiben gefahrlos enteisen", meint Uwe Reimann.

Des Weiteren wurde vorsorglich eine Feuerlöschanlage installiert – inzwischen fester Standard in der Maschinenausstattung bei Holcim –, um im Notfall einen Brandherd schnell bekämpfen zu können. Der Motorraum ist außerdem entkoppelt von der Hydrauliksteuerung. Das stellt sicher, dass sich das Motoröl nicht entzünden kann. Außerdem ist der Motorraum durch eine Feuerschutzwand gesichert. Alle Oberflächen, die heiß werden können, sind extra verkleidet, um im Fall eines Kontakts Verbrennungen zu vermeiden. Überzeugt hat schließlich auch das Konzept mit zwei Cat Acert-Diesel-Motoren C27. Fällt einer aus, kann der Bagger aus dem potenziellen Gefahrenbereich bewegt werden – ein Motor erreicht bis zu 65 % der vollen Leistung. Falls nötig, lässt sich zum Schutz der Mitarbeiter die elektrische Energie dank Lototo abschalten Das Verfahren bedeutet Lo für "log out" (abschließen), to für "tag out" (kennzeichnen) und to für "try out" (Test, ob sich die Anlage einschalten lässt). Die zugehörigen beweglichen Teile müssen während der Arbeiten gegen Einschalten und unbeabsichtigte Bewegung gesichert sein – ein normaler Schutzmechanismus, ohne Trennung der Energiezufuhr, reicht allein nicht aus. Auch wurde darauf geachtet, dass kein Unbefugter sich Zugang zu der Baumaschine verschaffen kann – entsprechend wurde der Schlüssel personalisiert. Vorsorglich wird für den Fall, dass einmal ein Hydraulikschlauch platzen sollte, Hydrauliköl auf Esterbasis eingesetzt. Dieses ist biologisch abbaubar.

Die etwa 80 bis 95 Mio. Jahre alten Kalk- und Kalkmergelgesteine werden hauptsächlich im Direktabbau gewonnen. Eine ausschließlich sprengende Gewinnung ist aufgrund der Nähe zur Wohnbebauung nicht mehr möglich. Die aktuelle max. Abbautiefe im Steinbruch beläuft sich auf etwa 96 m unter Normalnull. Die so anstehenden Kalk- und Kalkmergelgesteine werden auf vier übereinander folgende Abbausohlen mit einer Wandhöhe von jeweils 10 bis 12 m gewonnen. "Im Steinbruch werden durchschnittlich zwei bis drei Ladestellen bereitgehalten, um auf Qualitätsschwankungen zu reagieren. Denn die notwendige Homogenisierung findet direkt im Steinbruch statt, da im Zementwerk Beckum kein Mischbett vorhanden ist. Die einzelnen Materialströme werden dort später in großen Betonsilos separiert. Nach Rücksprache mit dem Labor wird zwischen den unterschiedlichen Abbaustellen gewechselt, die sich in der Qualität unterscheiden", führt Helmut Reiterer aus. Die Schaufel des Cat 6030FS wird durch Vordrücken in die Abbauwand eingeführt. Die 9,5 m³ große Schaufel besteht aus abriebfestem und verschleißarmem Hardox-Stahl und ist mit fünf Zähnen und dem Cat Zahnsystem C95 bestückt. Die Schaufel sollte nicht breiter als 3310 mm sein, um das gelöste Haufwerk auf modifizierte Lkw mit Anhänger verladen zu können. Sie bringen das Material von der Abbaustelle zum Kipptrichter des Vorbrechers.

Dort wird das von dem Cat 6030FS abgebaute Material abgeladen, das mit einer Stückigkeit von 0 bis 1000 mm Kantenlänge direkt verarbeitet werden kann. Material mit größeren Kantenlängen wird vom Bagger vorzerkleinert. Vom Kipptrichter wird der Rohstoff zum stationären Vorbrecher befördert, der es auf eine durchschnittliche Korngröße von max. 80 mm herunterbricht. Die nächste Station ist dann das Mergelsilo, das rd. 8000 t fasst, um das Zementwerk zu versorgen. "Diese Menge an Kalk- und Kalkmergelgesteinen reicht für gerade einmal 1,5 Tage. Deshalb sind wir in Beckum auf einen kontinuierlichen Abbau- und Förderbetrieb angewiesen", sagt Michael Dommin. Denn für die kontinuierliche Versorgung des Drehrohrofens werden am Tag etwa 4500 t an Kalk- und Kalkmergelgesteinen benötigt.